Sanitätsfahrzeuge


(Artikel aus „Armeerundschau“)

Fotochroniken aus der Zeit des ersten Weltkrieges belegen anschaulich den hohen technischen Stand auf dem Gebiet der Sanitätsfahrzeuge bereits in dieser Zeit. So zeigen die Bilder recht unterschiedliche Typen von Sanitätskraftwagen (kurz Sankra genannt) zum Abtransport von Verwundeten, wie es sie in der klassischen Form, allerdings auf der Basis modernerer Fahrgestelle, noch heute in allen Ländern gibt. Dar-
über hinaus verfügte der medizinische Dienst, beispielsweise der kaiserlich-deutschen Armee, über spezielle Zahnarzt- und Röntgenfahrzeuge, über fahrbare Kliniken unterschiedlichster Art sowie über mobile Apotheken und Transportmittel für Zelte und sonstige Einrichtungen von Feldlazaretten. Aus der Fachliteratur geht hervor, daß in Deutschland im Jahre 1905 das erste Sanitätsautomobil in den Dienst gestellt worden ist. Und es dürfte nicht wesentlich später gewesen sein, daß sich auch die Militärmediziner dieses Hilfsmittels bedient haben. Betrachtet man die verschiedentlich auch als Behelfskrankenwagen bezeichneten Fahrzeuge, die es bis zum ersten Weltkrieg gegeben hat, so ist festzustellen, daß die Fahrgestelle von Personen- als auch von Lastkraftwagen verwendet wurden. Da die LKW eine größere Ladefläche zur Verfügung hatten, waren die darauf basierenden Sankra geräumiger, komfortabler und mit einem aufgeschlossenen Aufbau versehen. Die auf PKW aufgebauten Sankra waren tatsächlich mehr oder weniger improvisiert. Oft hatten sie zwar ein Dach, aber keine Seitenfenster oder -Verkleidungen. Aus Berichten der Kriegsjahre geht hervor, daß man zu jener Zeit im Fahrzeugbau spezielle militärische Anforderungen noch nicht berücksichtigt hatte. Alle möglichen Fahrzeuge wurden für den Transport von Truppen oder Munition, Nachschub oder Verwundeten eingesetzt. Von Geländegängigkeit konnte dabei noch keine Rede sein. So waren auch die Sankras der damaligen Zeit – wie die Fahrzeuge im militärischen
Bereich überhaupt – total überfordert und den Feldbedingungen kaum gewachsen. Da es außerdem zu wenige Sanitätskraftwagen gab, griff man zum Transport von Verwundeten weitgehend auf Pferdefuhrwerke aller Art zurück. In allen Armeen bediente man sich auch geeigneter Handwagen, um Verletzte zu Feldlazaretten oder Verwundetensammelstellen zu befördern. Ebenfalls gab es spezielle, sehr leichte Hundekarren. Sie waren sehr flach gehalten. Darum benutzten die Sanitäter diese Hilfsmittel auch
unmittelbar auf dem Gefechtsfeld, um so leichter und schneller Verwundete zu bergen. In den meisten Ländern verwendete man noch in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen weitgehend herkömmliche Fahrgestelle mit speziellen Aufbauten und den notwendigen Einrichtungen als Sanitätsfahrzeuge. Dabei gab es in der Regel keine gesonderten Ausführungen für den militärischen oder den zivilen Bereich. Oft
waren mittlere Lastkraftwagen die Basis für Sankras. In Deutschland waren zum Beispiel neben zahlreichen anderen Fahrzeugtypen auch LKW Opel/Blitz als Sankra im Einsatz.


In der UdSSR war der von 1932 bis 1950 produzierte GAZ-AA als GAZ-55 bis weit in die Nachkriegszeit hinein als ziviler und militärischer Sankra verwendet worden, und in den USA produzierten die Chrysler-Werke den Mehrzweck-Geländewagen M 42 als Sankra M 43.



Obwohl Ausstattungsgrad mit medizinischem Zubehör, Abmessungen, Leistungen und Zweckmäßigkeit der einzelnen Fahrzeugtypen unterschiedlich waren, ähnelten sie sich aber alle darin, daß es große hintere Türen sowie Vorrichtungen zum schnellen Einführen und Entnehmen der Tragen gab, daß eine seitliche Tür für das Begleitpersonal sowie besondere Federung vorhanden waren. Da während des vom deutschen Faschismus entfesselten 2. Weltkrieges in allen Armeen die vorhandenen Sankras nicht ausreichten, bediente man sich während der Jahre 1939 bis 1945 wiederum im umfangreichen Maße der Pferdefuhrwerke. Selbstverständlich wurde auch jedes andere Fahrzeug – so weit es ging – behelfsmäßig als Sanitätskraftwagen ausgestattet, meist aber nicht nur für den Transport von Verletzten verwendet. Der sowjetische Militärarzt William Giller beschreibt in seinem Buch „Und wieder in den Kampf“ (Verlag der Nation, Berlin 1983), daß zumindest in den ersten Monaten nach dem faschistischen Überfall auf die UdSSR in erster Linie Lastkraftwagen für den Verwundetentransport verwendet wurden. Bei der Fahrt an die Front transportierten sie Nachschub aller Art, und zurück nahmen sie Verwundete mit. Nach einer gewissen Zeit, so schreibt der Arzt, hätten dann fabrikneue, für den Verwundetentransport umgerüstete Busse zur Verfügung gestanden. Lastkraftwagen sowie Busse mit einer Vorrichtung zur Aufnahme von Tragen in mehreren Schichten zu versehen, ist auch heute noch durchaus üblich. Das gilt ebenfalls für Eisenbahnwagen oder Flugzeuge. So läßt sich das Transportflugzeug An-26 in kurzer Zeit zur Aufnahme von Krankentragen umrüsten. Betrachtet man die heutige Generation von Sankras, so ist festzustellen: Das bewährte Prinzip, vorhandene handelsübliche Fahrzeuge als Sanitätskraftwagen zu verwenden, gilt noch immer. Dazu einige Beispiele: In der Sowjetarmee verwendet der medizinische Dienst den Sankra GAZ-653, der auf dem von 1946 bis 1974 produzierten LKW GAZ-63 basiert. Pate gestanden haben für Sanitätsfahrzeuge auch die Mehrzweckautos LuAZ-452 (in der NVA wird dieser Typ als Spezial-Kfz verwendet) sowie der Kleinbus RAF-2203, der im zivilen Bereich der UdSSR auch als Fahrzeug für Schnelle Medizinische Hilfe dient.



In der NVA wurde zunächst der Garant 30K verwendet, bis ihn der LO 1800A ablöste. Als sehr zweckmäßiger und ökonomischer Sankra erweist sich daneben schon seit vielen Jahren der B 1000, den es wie den LO in zahlreichen anderen militärischen und zivilen Ausführungen gibt. Außer den ausgesprochenen Verwundetentransportern gibt es in den sozialistischen Streitkräften auch andere Sanitätsfahrzeuge.




DDR-Sankra B1000

Erwähnt sei hier nur als Beispiel der Spezialcontainer auf dem Fahrgestell W 50L/A, in dem ein unterschiedlich ausgestatteter Faltkoffer (komplett ausgerüsteter Raum für chirurgische Eingriffe,
epidemologisches Feldlabor für mikrobiologische Untersuchungen oder pharmazeutisches Feldlabor u. a.) verstaut ist.



Nicht vergessen darf man das Bestreben, möglichst schnell Geschädigte vom Gefechtsfeld zu
bergen und sie der medizinischen Betreuung zuzuführen. Nicht zuletzt deshalb gab es bereits mehrfach Bestrebungen, möglichst flache, robuste und leistungsfähige sowie geländegängige Fahrzeuge zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist in älteren Bildbänden über die NVA zu finden. Es handelte sich dabei um ein sehr flaches Vierradfahrzeug, bei dem der Fahrer weder von einer In der NVA verwendete Sanitätskraftfahrzeuge Kabine noch Verkleidung umgeben war. Auf beiden Seiten des pritschenartigen Fahrzeuges befand sich eine Trage für je einen Verwundeten. Völlig neu auf diesem Gebiet ist die Lösung,
die von sowjetischen Konstrukteuren in Form des aus dem bekannte Kleinwagen „Saporoshez“ abgeleiteten LuAZ-967M gefunden worden ist. Der geländegängige und schwimmfähige Kleinwagen dient zum Transport von je zwei Verwundeten auf Klappsitzen und Liegen. Bei Notwendigkeit kann der Fahrer den Wagen in einer Deckung stehen lassen, das 100 m lange Zugseil der im Bug untergebrachten Winde ausziehen, den Verletzten in eine Zeltbahn legen und mit Hilfe der Winde bis an das Fahrzeug zie-
hen. Es ist möglich, daß der Fahrer den Wagen auch liegend steuern kann. Die Frontscheibe läßt sich nach vorn abklappen, das Spriegelgestell mit dem Segeltuchdach kann entfernt werden. Damit kleinere Gräben, Granattrichter oder Löcher überwunden werden können, sind an beiden Bordwänden leicht abnehmbare Metall-Spurbahnbrücken angebracht.



Während der LuAZ-967M speziell zur Bergung und zum Transport Geschädigter geschaffen worden ist, haben die Fachleute das im Institut für Kfz- und Panzertechnik der Polnischen Armee entwickelte Kleinfahrzeug LPT in einer Version ebenfalls zur Aufnahme von Verwundeten ausgerüstet. Das sechsrädrige Fahrzeug ist schwimmfähig und kann zwei Verwundete auf Tragen oder bis zu vier auf Sitzen befördern. Im gleichen Militärinstitut Polens ist auch der weit verbreitete sowjetische Geländewagen UAZ-469B als Sankra umgebaut worden. Nicht vergessen darf man die gepanzerten Sanitätsfahrzeuge. Dazu werden neben älteren Typen (SPW-152 K, in der UdSSR Halbkettenfahrzeug OT-810) auch modernere (turmloser polnisch-tschechoslowakische 8-Rad-SPW Skot/OT-64) und Schlepper MT-LB) verwendet. Der Vorteil derartiger Sanitätsfahrzeuge besteht im relativ guten Schutz, den die Panzerung des Fahrzeuges sowie die weiteren Einrichtungen für die Geschädigten bieten.


Text: Oberstleutnant Wilfried Kopenhagen,
Illustration: Heinz Rode


Fixieren des Verletzten auf LUAZ 967


Verletztentransport mit LUAZ 967M



LUAZ 967


Blick in den „Innenraum“ des LUAZ


Und noch ein Blick auf die Armaturen des LUAZ