Vier „Achtel Kleingeschichten“

(Beitrag von Lutz Teistler)


Alkfred auf der Suche

Im ohnehin gut gesicherten Gefechtspark gab es schön am Rand und von einer extra Mauer umgeben den sogenannten Bereich Technik. Die achte Kompanie hatte dort ständig zwei Soldaten zu stellen – jeweils einer pro Diensthalbjahr.
Aus meinem Diensthalbjahr war das mein Kamerad Klaus Klinger. Als wir erstes DHJ waren und Klaus der Technik zugewiesen wurde, war der Gefreite Julius bereits ein Jahr dort, als wir EK waren, kam aus dem ersten DHJ der Soldat Rahmel dazu. Keiner weiß, warum die Auswahl ebendieser Soldaten erfolgte, alle waren Kfz-Meister oder hatten haufenweise Qualifikationen. Und vor allem wusste keiner, was sie in der Technik gemacht haben. Dieser Bereich behielt sein mystisches Dasein unsere gesamte Dienstzeit.
Klaus erzählte nie darüber. Irgendwie gelang es ihm immer, irgendwelche Ausreden zu finden und dann sofort darüber zu lachen. Mit der Zeit fragte auch keiner mehr.

Auf jeden Fall hatte die Technik aber eine Folienschweißmaschine nichtsozialistischer Produktion.
In der Technik verkehrten ständig Kraftfahrer, welche mit ihren PKW überall im Land herumkamen und Privilegien hatten. Und von denen hatte Klaus auch etwas – nämlich den Schnaps.
Zuerst war es kein Problem, diesen einmal im Regiment befindlichen Seelentröster auch innerhalb desselben zu transportieren. Bis eines Tages Major Alfred Melzer – auch als Alkfred bezeichnet – seine Kontrolltätigkeit ins Innere des Regimentes ausdehnte. Bis dato schwänzelte er eher im Bereich des KDL herum, um dort geschmuggelten Alkohol zu finden. Es gab zwar immer noch genügend Verstecke in den Autos, aber das Risiko stieg, je mehr sich Alkfred „einarbeitete“.


Punktum, Klaus hatte wieder einmal Ware bekommen und dieser bereits in der Technik heftig zugesprochen. Den Inhalt einer weiteren Flasche hatte er in Folie eingeschweißt und unter die Felddienstjacke gesteckt. Der Weg am OvP vorbei war ihm offenbar zu lang, so kletterte er auf ein Faß, welches an der Mauer zwischen Gefechtspark und Unterkunftsgebäude der Achten stand, um anschließend die Mauer zu überklettern.
Dabei blieb er im zwar völlig verrosteten, aber trotzdem vorhandenen Stacheldraht hängen und lag, die Mauer zwischen den Beinen, auf der Krone derselben. Da er vor seinem Abmarsch aus der Technik beim UvD angerufen und sein Kommen mit der Lieferung angekündigt hatte, warteten wir bereits. Vom Gangfenster beobachteten wir sein Mißgeschick und eilten zur Mauer. Zu viert mit Räuberleiter befreiten wir ihn aus seiner misslichen Lage. Der Beutel mit dem Schnaps war natürlich durch das Liegen auf der Mauer geplatzt und Klaus stank wie eine Destille.
Der Abend ging daher nicht mit einem Umtrunk, sondern mit gründlichem Waschen der gesamten Bekleidung einschließlich des Pechvogels zu Ende.


P3 kaputt

Gut in Erinnerung ist mir auch die Blaufahrt des Soldaten K. geblieben. Dieser war ein Diensthalbjahr nach mir und im zweiten Zug in der Bergegruppe. Dort fuhr er einen W 50 ABK. (Autobergekran)

Eines Abends wurde K. beauftragt, Hauptmann Linke und Stabsfeldwebel Haak bei Halle abzuholen. Diese waren in Erfurt, von wo sie einen ausgesonderten P 3 nach Strausberg überführen sollten. Dieser war für die Ausstellung von Traditionsfahrzeugen im Regiment gedacht.


geländegängiger PKW P3 aus DDR-Produktion

Nun war man längere Zeit mit eingelegter Differenzialsperre gefahren (was für jedes Auto ungesund ist), hatte sich gewundert, dass der alte Jeep so schwer zu fahren ist und schließlich hatten Zahnräder nachgegeben.



K. – der etwa 50 Kilometer von Halle zu Hause war – fuhr also von Strausberg los, um den PKW zu bergen. Er machte schon beim UvD keinen besonders munteren Eindruck, als er sich abmeldete.
Erst etwa acht Stunden später kam er zurück, Haak und Linke waren fuchsteufelswild. Wie sich herausstellte, war K. bei Wittstock aufgefallen, dass er in die völlig falsche Richtung gefahren war und so dauerte es ewig, bis er das korrigiert hatte.


Missbrauch einer Petschaft zu guten Zwecken

Petschaft zum Versiegeln von Waffenkammern und anderen sicherheitesrelevanten Behältnissen und Aktentaschen

Eine gute Möglichkeit, unentdeckt zu trinken, hatten wir, als wir im dritten Diensthalbjahr waren.
Peter F. hatte den Posten des Spießschreibers vom Gefreiten Butter übernommen und war somit auch im Besitz einer Petschaft.
Immer, wenn sich die Gelegenheit ergab, zogen wir uns in kleiner Runde in das Spießzimmer zurück. Direkt davor war der Tisch des UvD und wenn ein Kamerad unseres Diensthalbjahres dort war, schlossen wir hinter uns ab und er petschierte die Tür neu. Das fiel nicht einmal auf, wenn unterschiedliche Nummern auf der Petschaft waren.


Siehe auch hier zu Petschaften in der NVA: https://www.hidden-places.de/index.php?threads/frage-an-euch-warum-sind-bei-vielen-nva-objekten-solche-dinger-an-den-t%C3%BCrrahmen.10106/


Scheidung

Eines Tages fuhr der Gefreite T. aus meinem Diensthalbjahr Freitags nach dem Dienst in den verlängerten Kurzurlaub in den Nordwesten der DDR.
Diesen hatte er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu Hause angekündigt, denn bereits am nächsten Morgen stand er vor dem Frühstück wieder mit seiner Tasche beim UvD.
Dieser fragte ihn, was los sei, er habe doch Urlaub. T. antwortete: Als ich ins Haus kam und zum Fahrstuhl lief, vergnügte sich darin gerade ein Pärchen. Als ich näher ranging, dachte ich, dass ich dieser Hintern doch kenne. Jetzt werde ich mich wohl um die Scheidung kümmern müssen“.
Das war leider nicht die einzige Trennung, die wir in unseren 18 Monaten Wehrdienst erlebt haben.